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Mitochondriale Vesikel erhalten unsere Gesundheit

Gehören Mitochondrien zum Endomembransystem?

16. März 2021

Das Endomembransystem ist das Postnetzwerk der Zelle. Über dieses System stehen die verschiedenen Zellbestandteile miteinander in Kontakt und senden und empfangen Proteine, Fettsäuren und Stoffwechselprodukte. Der Austausch gelingt über sogenannte Transportvesikel, kleine kugelförmige Strukturen, die wie Pakete innerhalb der Zelle verschickt werden. Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, zählen klassischerweise nicht zum Endomembransystem. Diese Ansicht wurde durch die Beobachtung mitochondrialer Vesikel jedoch in Frage gestellt. Mittlerweile werden die mitochondrialen Vesikel mit schweren Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer in Verbindung gebracht. Manche Forschungsgruppen sehen in den mitochondrialen Vesikeln sogar den Ursprung des Endomembransystems unserer Zellen.

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Zellen müssen Nährstoffe verwerten, ihre Umwelt wahrnehmen und schnell auf Veränderungen in der Umgebung reagieren können. Die Zusammensetzung der Plasmamembran muss also ständig angepasst werden, indem Proteine der Zelloberfläche wie Rezeptoren, Ionenkanäle und Transportproteine hinzugefügt oder entfernt werden oder neue Kohlenhydrate und Fettsäuren nachgeliefert werden [1]. Zellen im Verdauungstrakt müssen aber auch Verdauungsenzyme abgeben können, das heißt sie müssen Proteine, die im Zellinneren hergestellt wurden, irgendwie sicher nach außen transportieren. Andersherum müssen manchmal Nährstoffe und andere Moleküle von außerhalb der Zelle sicher in das Zellinnere aufgenommen und verwertet werden [2]. Wie bewerkstelligen unsere Zellen diese Prozesse?
Hier kommt das sogenannte Endomembransystem ins Spiel.


Die Hauptaufgaben des Endomembransystems beziehen sich auf drei Bereiche:
 

  1. Herstellung von Proteinen, gefolgt von ihrer Modifikation, ihrem Einbau in bestimmte Membranen und dem Transport zum Bestimmungsort in Zellkompartimente oder Organellen oder aus der Zelle heraus
  2. Stoffwechsel und Transport von Fettsäuren
  3. Entgiftung toxisch wirkender Stoffe

 

Im Inneren einer eukaryotischen Zelle können verschiedene Bestandteile, die sogenannten Zellkompartimente und Zellorganellen , unterschieden werden. Diese Zellbestandteile sind alle durch eine Membran vom Rest des Zellinneren abgegrenzt und erzeugen auf diese Weise Räume für spezifische Stoffwechselreaktionen und zelluläre Prozesse.


Manche dieser Membranen stehen im direkten Kontakt miteinander, während andere über sogenannte Transportvesikel verbunden sind. Vesikel sind kugelförmige Strukturen mit einem Durchmesser von 50 bis 100 Nanometern, die von einer einfachen Membran umgeben sind. Die Gesamtheit aller über Vesikel in Kontakt stehenden Zellkompartimente wird als Endomembransystem bezeichnet [3]. Es umfasst das Endoplasmatische Retikulum, den Golgi-Apparat, die Plasmamembran, die Hülle des Zellkerns, Endosomen, Lysosomen, Peroxisomen und die Transportvesikel selbst [4, 5].
Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, sowie die Plastiden pflanzlicher Zellen, wie beispielsweise Chloroplasten, gehören definitionsgemäß nicht zum Endomembransystem.


Mit der Beobachtung mitochondrialer Vesikel vor einigen Jahren änderte sich diese Auffassung jedoch. Sind Mitochondrien also doch Teil des Endomembransystems?

Transportvesikel sind die Postpakete der Zelle


Um den Austausch der verschiedenen Bestandteile des Endomembransystems sicher zu stellen, knospen innerhalb der Zelle ständig Transportvesikel von einer Membran ab und verschmelzen mit einer anderen. Dabei werden Membranbestandteile und lösliche Moleküle, die als Fracht bezeichnet werden, transportiert. Der Transport verläuft auf geordneten Bahnen, um das Ausscheiden von Stoffen, die Aufnahme von Nahrung oder die Anpassung der Plasmamembran und anderer Kompartimente zu ermöglichen [6].


Der Ausscheidungsweg verläuft zum Beispiel vom Endoplasmatischen Retikulum über den Golgi-Apparat nach außen zur Zelloberfläche. Eine Nebenstrecke führt die Fracht zu den Lysosomen. Die Aufnahme von Molekülen von außerhalb der Zelle in das Zellinnere erfolgt von der Plasmamembran zu den frühen und späten Endosomen hin zu den Lysosomen. Hinzu kommen aber auch noch Rücktransportwege, auf denen der Rückfluss bestimmter Komponenten erfolgt und Membranbestandteile und bestimmte Proteine zum ursprünglichen Zellkompartiment zurückgebracht werden. Auf diese Weise bleibt der Fluss von Membranen im Gleichgewicht [3].


Zwei Faktoren sind beim Vesikeltransport entscheidend: erstens muss die richtige Fracht in das Vesikel gelangen und transportiert werden; zweitens muss das Vesikel mit dem richtigen Zielkompartiment in der Zelle verschmelzen. Ein Vesikel, das zum Beispiel Fracht vom Golgi-Apparat zur Plasmamembran bringt, darf keine Proteine aufnehmen, die im Golgi-Apparat verbleiben müssen; zudem darf es ausschließlich mit der Plasmamembran verschmelzen, nicht aber mit einem anderen Zellbestandteil.


Die meisten Transportvesikel entstehen aus spezifischen, umhüllten Membranbereichen. Das bedeutet, dass sich noch bevor das Vesikel gebildet wird, bestimmte Proteine auf der cytosolischen Seite an die Membran des entsprechenden Zellkompartiments anlagern. Erst dann knospen solche Vesikel als Protein-beschichtete Vesikel ab, die auf ihrer Oberfläche die zuvor angelagerten Proteine wie einen Schutzkäfig tragen. Bevor die Verschmelzung mit der Zielmembran erfolgt, wird diese Proteinhülle abgelegt und die beiden Membranoberflächen können direkt miteinander in Berührung kommen und verschmelzen.


Insgesamt sind drei unterschiedliche Vesikelhüllen bekannt, die sich in ihren Hüllproteinen voneinander unterscheiden. Jedes dieser unterschiedlichen Transportvesikel übernimmt verschiedene Transportwege innerhalb der Zelle [7, 8]. Zusätzlich legen die Hüllproteine auch die Fracht des Vesikels fest. Bestimmte Adapterproteine verknüpfen Frachtrezeptoren in der Membran des Zellkompartiments mit den Hüllproteinen und steuern so die Auswahl der zu transportierenden Membran und der Frachtmoleküle in das Vesikel. Die Anlagerung der zusammengesetzten Hülle bewirkt eine Krümmung der Membran, sodass sich umhüllte Knospen einheitlicher Größe bilden [9]. Neben all diesen Proteinen, die für die Auswahl der Fracht und der Bildung der Hülle für den Transport zuständig sind, gibt es noch eine Reihe von Proteinen, die zum einen das fertig gebildete Vesikel im letzten Schritt von der Membran abschnüren und somit für den Transport freigeben, sowie zum anderen das Andocken und die Verschmelzung mit der richtigen Zielmembran bewerkstelligen [8].

Endomembransystem und Vesikeltransport

Das Endomembransystem ist das Postnetzwerk der Zelle

Mehrere Zellkompartimente stehen über Transportvesikel miteinander in Kontakt. Auf dem sekretorischen Weg (rote Pfeile) werden Proteine vom Endoplasmatischen Retikulum zur Plasmamembran oder zu den Lysosomen transportiert. Beim Endocytoseweg (lila Pfeile) werden Moleküle an der Plasmamembran in Vesikel aufgenommen und zu den Endosomen und Lysosomen befördert. Manche Moleküle werden aus den Endosomen zurück an die Zelloberfläche transportiert oder werden zum Golgi-Apparat zurückgebracht. Ebenso werden manche Moleküle aus dem Golgi-Apparat zurück zum Endoplasmatischen Retikulum gebracht (türkise Pfeile).

Unterschiedliche Vesikelhüllen, die den Transportvesikeln ihre Form verleihen, wählen unterschiedliche Fracht aus. Die drei am besten untersuchten Vesikelhüllen sind Clathrin, COPI und COPII. Clathrin-beschichtete Vesikel transportieren Material aus der Plasmamembran und zwischen Endosomen und Golgi-Kompartimenten. COPI- und COPII-beschichtete Vesikel transportieren Material im Sekretionsweg: COPII-beschichtete Vesikel knospen vom Endoplasmatischen Retikulum ab, während COPI-beschichtete Vesikel vom Golgi-Apparat abknospen. Abbildung entlehnt von [10].

Das Endomembransystem stellt somit die richtige Verteilung von Proteinen, Fettsäuren und anderen Molekülen innerhalb der Zelle sicher und bewerkstelligt die Ausscheidung von Molekülen aus der Zelle in die Umgebung, aber auch die sichere Aufnahme von Molekülen in die Zelle hinein. Eine ganze Reihe verschiedener Proteine sorgt für die Bildung unterschiedlicher Transportvesikel, die auf festgelegten Routen den Transport zwischen den Zellkompartimenten oder der Plasmamembran ermöglichen.

Mitochondriale Vesikel erhalten die mitochondriale Gesundheit


Mitochondrien sind die Kraftwerke unserer Zellen. Aus den aus der Nahrung gewonnenen Stoffwechselprodukten und dem aufgenommenen Sauerstoff produzieren sie die universelle Energiewährung der Zelle, das sogenannte Adenosintriphosphat (ATP). Mitochondrien sind alles andere als normale Zellbestandteile. Statt von einer sind Mitochondrien von zwei Membranen umgeben und in ihrem Inneren besitzen sie ein eigenes kleines Erbgut, die sogenannte mitochondriale DNA, inklusive aller benötigten Komponenten, um die DNA auch in Proteine zu übersetzen [11]. Diese Besonderheiten werden durch die Endosymbiontentheorie erklärt, wonach der Vorfahre des Mitochondrions einst ein eigenständiges Alphaproteobakterium war, das von einem Bakterium aus der Domäne der Archaeen aufgenommen und in dessen Zellinnerem behalten wurde [12].


Klassischerweise zählen Mitochondrien nicht zum Endomembransystem. Sie sind nicht an den Ausscheidungs- oder Aufnahme-Routen der Transportvesikel beteiligt. Auf der anderen Seite stehen Mitochondrien über Kontaktstellen ihrer Außenmembranen mit nahezu allen anderen Zellkompartimenten im direkten Austausch [13]. Diese Mitochondrien-Kompartiment-Kontakte wirken auf viele Aspekte der mitochondrialen Funktion sowie auf die Beschaffenheit des mitochondrialen Netzwerks. Auf der anderen Seite beeinflussen diese Kontakte mehrere zelluläre Funktionen, indem sie Teil eines komplexen und dynamischen Interaktionsnetzwerkes sind. Die Mitochondrien-Kompartiment-Kontakte verknüpfen die Funktionen der einzelnen Zellbestandteile mit dem zellulären Stoffwechsel [13].


Im Jahr 2008 wurden neben den direkten Kontaktstellen auch zum ersten Mal Vesikel als Schnittstelle zwischen Mitochondrien und anderen Zellkompartimenten beschrieben [14]. Diese erstmals beobachteten Vesikel transportierten ein Protein der äußeren Mitochondrien-Membran zu den Peroxisomen, also den Zellkompartimenten, die am Schutz vor reaktiven Sauerstoffspezies und am Abbau von Fettsäuren beteiligt sind [15]. Obwohl das Mitochondrion also zwei Membranen – eine innere und eine äußere – besitzt, enthielt das Vesikel ausschließlich Membranabschnitte und Fracht der äußeren Membran. Weitere Untersuchungen entschlüsselten zumindest einen Teil der Proteine, die an der Bildung der mitochondrialen Vesikel beteiligt sind. Überraschenderweise handelt es sich hierbei um Proteine, die auch beim Rücktransport von Fracht von den Endosomen zum Golgi-Apparat oder zur Plasmamembran beteiligt sind [16, 17]. Eines dieser Proteine ist VPS35, dessen Genmutationen mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung stehen [18-20]. Die neu entdeckten mitochondrialen Vesikel könnten also eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielen.


Seit diesen ersten Beobachtungen mitochondrialer Vesikel wurden weitere Transportwege und beteiligte Proteine identifiziert. Manche Vesikel wandern beispielsweise von den Mitochondrien zu den Endolysosomen, in denen Proteine abgebaut werden, und sind wichtig für die Regulierung des mitochondrialen Netzwerks in der Zelle [20-23]. Es konnte sogar gezeigt werden, dass dieser Transportweg unter Stressbedingungen aktiviert wird, die mit der Alzheimer-Krankheit und der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) in Verbindung stehen [23]. Neben solchen Vesikeln, die ausschließlich aus der mitochondrialen Außenmembran hervorgehen, gibt es auch Vesikel, die beide mitochondrialen Membranen enthalten [24, 25]. An der Bildung solcher Doppelmembran-Vesikel sind die beiden Proteine PINK1 und Parkin beteiligt, die beide mit der erblich bedingten Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht werden [25-28]. PINK1 und Parkin kontrollieren eigentlich einen gut beschriebenen Prozess namens Mitophagie, bei dem beschädigte Mitochondrien in der Zelle abgebaut und ihre Bestandteile recycelt werden [29]. Es ist deswegen auch nicht verwunderlich, dass die PINK1- und Parkin-abhängigen mitochondrialen Vesikel eine Rolle in der mitochondrialen Qualitätskontrolle zu spielen scheinen und über diese Doppelmembran-Vesikel beschädigte Proteine zu den Endolysosomen transportiert und dort anschließend abgebaut werden [24, 25, 30].


Die Einzelheiten der Bildung, Abschnürung und des Transports mitochondrialer Vesikel sind noch immer Gegenstand aktueller Forschung. Es sieht so aus, als gäbe es verschiedene Arten mitochondrialer Vesikel, von denen manche nur Membranabschnitte und Proteine der mitochondrialen Außenmembran enthalten und vor allem die Dynamik des mitochondrialen Netzwerks kontrollieren, während andere Vesikel Abschnitte beider mitochondrialer Membranen und Proteine aus dem Inneren des Mitochondrions enthalten und insbesondere für die Qualitätskontrolle verantwortlich sind [31]. Interessanterweise sind an beiden Arten mitochondrialer Vesikel Proteine beteiligt, die mit schweren Erkrankungen in Verbindung stehen, sodass die Ausbildung mitochondrialer Vesikel eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielen könnte.

Mitochondriale Vesikel und Mitochondrien-Zellkompartiment-Kontakte

Mitochondriale Vesikel spielen eine wichtige Rolle in der Zelle

Mitochondrien besitzen direkte Kontaktstellen mit nahezu allen anderen Zellkompartimenten der Zelle. Darüber hinaus stoßen Mitochondrien Vesikel in das Zellinnere aus. Diese können ausschließlich aus der mitochondrialen Außenmembran bestehen oder beide mitochondrialen Membranen enthalten, was einen Doppelmembran-Vesikel hervorbringt.

Vesikel aus dem Endoplasmatischen Retikulum (ER) und aus Mitochondrien sind für die Neubildung von Peroxisomen wichtig. Mitochondriale Vesikel wandern zu Peroxisomen oder Endolysosomen, um Proteine zu auszutauschen oder abzubauen. Die Vesikel sind somit offenbar Teil eines Systems zur Qualisätskontrolle der Mitochondrien. Zurzeit sind die Hüllproteine mitochondrialer Vesikel noch nicht vollends entschlüsselt, einige Proteine werden jedoch mit schweren Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer in Verbindung gebracht.

Sind Mitochondrien der Ursprung unseres Endomembransystems?

Bislang sind nicht alle Proteine bekannt, die an der Bildung mitochondrialer Vesikel beteiligt sind. Diejenigen Proteine, die aber bereits identifiziert wurden, übernehmen auch wichtige Aufgaben in anderen Prozessen der Zelle und manche spielen bereits eine Rolle im zellulären Vesikeltransport anderer Zellkompartimente. Das führt zu der Frage, ob mitochondriale Vesikel bereits bestehende Transportrouten und Signalwege ausnutzen, oder ob es genau andersherum ist, und die jetzt bestehenden Routen und Prozesse des Endomembransystems aus den mitochondrialen Vesikeln hervorgegangen sind [31].


Die erste eukaryotische Zelle entwickelte sich vor etwa 2 Milliarden Jahren innerhalb primitiver Archaeen durch die Aufnahme eines Vorfahren des heutigen Mitochondrions, also eines Alphaproteobakteriums [12]. Besaßen diese frühen eukaryotischen Zellen bereits ein Endomembransystem mit abgegrenzten Zellkompartimenten? Alle heute bekannten großen Gruppen eukaryotischer Lebewesen besitzen sowohl die Zellkompartimente des Endomembransystems als auch die für diese spezifischen Proteine [32]. Daraus kann man schließen, dass beides auch bereits im gemeinsamen Vorgänger aller Eukaryoten vorhanden gewesen sein muss [33]. Die Frage nach dem Ursprung des Endomembransystems ist deshalb unmittelbar mit der Frage nach dem Ursprung der Eukaryoten verknüpft. Traditionell wird die Entstehung des Endomembransystems bzw. der Zellkompartimente durch die Einstülpung der Plasmamembran in das Innere der Zelle erklärt. Diese Einstülpungen wurden im Laufe der Zeit gänzlich von der Plasmamembran gelöst und sind seitdem eigenständige Reaktionsräume innerhalb der Zelle [34, 35]. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Zellkernhülle und das Endoplasmatische Retikulum die ersten Zellkompartimente waren, aus denen dann alle anderen Kompartimente hervorgingen. War also die Ausbildung von Zellkompartimenten und des Endomembransystems eine Voraussetzung für die Aufnahme des Mitochondrien-Vorläufers? Interessanterweise existieren bislang keine Archaeen, die Zellkompartimente enthalten, obwohl eine solche Zwischenstufe hin zur eukaryotischen Entwicklung nach der oben genannten Theorie zu erwarten wäre [36]. Kam also vielleicht doch erst das Mitochondrion in die Zelle und daraus entwickelte sich das Endomembransystem?


Sowohl Gram-negative als auch Gram-positive Bakterien sondern Vesikel von ihrer äußeren Membran in die Umgebung ab [37, 38]. Sie können zum Beispiel Giftstoffe enthalten, die mit der Toxizität des Bakteriums verknüpft sind, und die Häufigkeit der Vesikelbildung sowie ihr Inhalt hängt unter anderem von den verfügbaren Nährstoffen und von Stressfaktoren ab [39, 40]. Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Mitochondrien-Vorläufer nach seiner Aufnahme in die Wirtszelle auch weiterhin Vesikel gebildet und abgesondert hat [5]. Während die vom freilebenden Alphaproteobakterium gebildeten Vesikel in die freie Umgebung abgesondert wurden, reicherten sich die Vesikel nach der Aufnahme des Bakteriums im Zellinneren der Archaeen-Wirtszelle an. Sie konnten lediglich mit sich selbst verschmelzen und somit größere Vesikel bzw. Kompartimente bilden oder sie verschmolzen mit der Plasmamembran der Wirtszelle, um ihren Inhalt nach außen zu befördern. Auf diese Weise könnten drei der heute in Eukaryoten beobachtbaren Merkmale erklärt werden: Vesikel im Zellinneren, ein nach außen gerichteter Membrantransport und die Anreicherung bakterieller Fettsäuren in einer ursprünglichen Archaeen-Zellmembran [5]. Die klassischen Theorien zur Entstehung des Endomembransystems erklären diese drei Beobachtungen nur unzureichend.


Aus den angereicherten und miteinander verschmolzenen mitochondrialen Vesikeln hat sich vermutlich zunächst ein primitiver Vorläufer des Endoplasmatischen Retikulums gebildet. Aus diesem gingen anschließend alle weiteren Zellkompartimente hervor [5]. Interessant ist beispielsweise, dass die Enzyme in den Peroxisomen von Alphaproteobakterien abstammen. Peroxisomen haben sich also definitiv erst nach der Aufnahme des Mitochondrien-Vorläufers in die erste eukaryotische Zelle entwickelt. Experimente konnten zeigen, dass neue Peroxisome aus dem Endoplasmatischen Retikulum und dem Mitochondrion hervorgehen. Mitochondriale Vesikel und Vesikel des Endoplasmatischen Retikulums tragen peroxisomale Membranproteine, verschmelzen miteinander und sorgen somit für die Reifung und das Wachstum eines neuen Peroxisoms [41].


Es gibt also durchaus starke Anhaltspunkte dafür, dass das Endomembransystem heutiger eukaryotischer Zellen erst nach Aufnahme des Mitochondrien-Vorläufers entstanden ist, und zwar auf Grundlage der vom Mitochondrien-Vorläufer abgesonderten Vesikel. Weitere Experimente müssen durchgeführt werden, die diese Theorie überprüfen.

Das Endomembransystem ist das Postnetzwerk unserer Zellen und kontrolliert die sichere Aufnahme von Molekülen in die Zelle und das Ausscheiden von Molekülen aus der Zelle in die Umgebung. Zusätzlich bewerkstelligt es die Kommunikation und den Austausch von Proteinen, Fettsäuren und weiterer Stoffwechselprodukte der Zellkompartimente untereinander auf festgelegten Transportrouten.


Obwohl Mitochondrien klassischerweise nicht zum Endomembransystem gezählt werden, zeigen neue Beobachtungen die Ausbildung mitochondrialer Vesikel und deren Transport zu verschiedenen Zellkompartimenten. Die Proteine und Mechanismen, die für die Bildung und den Transport dieser Vesikel benötigt werden, sind noch lange nicht vollständig identifiziert und verstanden. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass mitochondriale Vesikel einen wichtigen Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Aus evolutionsbiologischer Sicht könnte es sogar sein, dass es mitochondriale Vesikel waren, die das Endomembransystem unserer Zellen überhaupt erst hervorgebracht haben.

Quellen

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